Mittwoch, 17. Juni 2009

Iran


von der
Sozialistische Tageszeitung • Mittwoch, 17. Juni 2009
Neues Deutschland

Maulkorb für Auslandspresse in Iran

Erste Todesopfer bei Protestdemonstrationen / Wächterrat will teilweise erneut auszählen

Bei den Protesten in Iran sind die ersten Demonstranten getötet worden. Oppositionspolitiker Mir Hussein Mussawi rief seine Anhänger daraufhin am Dienstag auf, einer nicht genehmigten Demonstration in Teheran fernzubleiben. Während die Regierung ausländische Journalisten mit einem weitgehenden Berichtsverbot belegte, erklärte sich der Wächterrat zu einer teilweisen Neuauszählung der Präsidentenwahl bereit.

Teheran/Berlin (Agenturen/ND). Wie der amtliche Rundfunksender Pajam am Dienstag berichtete, wurden am Vortag bei den Oppositionsprotesten in Teheran sieben Menschen getötet und mehrere Personen verletzt. Die Demonstranten hätten einen Militärposten angegriffen, hieß es. Zuvor waren ungeachtet eines Demonstrationsverbots Hunderttausende Mussawi-Anhänger auf die Straße gegangen, um gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu protestieren und Neuwahlen zu fordern. Der in Deutschland lebende iranische Exilpolitiker Mehran Barati-Novbari von der iranischen Republikanischen Union sagte dem RBB-Inforadio, es habe weit mehr Todesopfer gegeben als offiziell zugegeben. Landesweit seien die Namen von 22 Toten und 136 Verletzten bekannt.

Die iranische Regierung untersagte ausländischen Journalisten mit sofortiger Wirkung, über »nicht genehmigte« Demonstrationen zu berichten, wie das Kulturministerium mitteilte. Verboten wurden auch alle Berichte in Bild und Text über Versammlungen, die nicht auf der offiziellen Veranstaltungsliste des Kulturministeriums verzeichnet sind. Die für Iran beispiellose Anordnung bedeutet, dass ausländische Journalisten im Prinzip nicht mehr außerhalb ihrer Redaktionen arbeiten können. In Regierungskreisen wurde die Verfügung als Maßnahme zum Schutz der Korrespondenten dargestellt. In Teheran versammelten sich erneut Zehntausende Mussawi-Anhänger. Berichten zufolge weiteten sich die Proteste unterdessen von der Hauptstadt auf die Städte Matschhad, Isfahan und Schiras aus.

Erstmals seit der Wahl gingen die Anhänger von Präsident Ahmadinedschad zum öffentlichen Gegenprotest über. Tausende zogen am Dienstag durch Teheran.

Angesichts der anhaltenden Proteste gegen den Wahlausgang erklärte sich der Wächterrat bereit, einen Teil der Stimmen neu auszuzählen. Das für die Organisation der Präsidentschaftswahl zuständige Gremium wolle die Stimmen jener Wahlurnen prüfen, die »Gegenstand von Einwänden« seien, sagte der Sprecher des Rates der amtlichen Nachrichtenagentur Irna. Der geistliche Führer Irans, Ayatollah Ali Chamenei, hatte eine Prüfung der Ergebnisse auf Forderung von Mussawi angeordnet.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Bundesregierung und die internationale Staatengemeinschaft zur Unterstützung der Opposition in Iran aufgerufen. Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch erklärte am Dienstag in München, die Führung in Teheran müsse in die Schranken gewiesen werden, »mit allen Mitteln, die der internationalen Völkergemeinschaft dafür zur Verfügung stehen«. Knobloch sagte weiter: »Wer das eigene Volk auf solch autoritäre und brutale Weise behandelt und zudem seit Jahren anderen Staaten des Nahen Ostens offen mit der Vernichtung droht, hat seinen Platz in der Gemeinschaft zivilisierter Völker verspielt.«

Etwa 600 Menschen protestierten am Dienstag vor dem iranischen Generalkonsulat in Hamburg gegen das Vorgehen der Regierung Irans.

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